Baden-Württemberg grenzt im Westen entlang der Rheinschiene an das Elsass. Das Bundesland verfolgt eine Politik der intensiven Sprachförderung ab dem frühen Kindesalter. Der baden-württembergische Ortenaukreis, der im Westen nur durch den Rhein getrennt an Straßburg grenzt, geht bedingt durch seine Grenzlage beim Fremdsprachenunterricht einen Sonderweg, da hier die deutsch-französische Zweisprachigkeit gefördert wird. Ganz allgemein stellt das Lernen der Sprache des Nachbarn im Grenzraum Baden-Württembergs eine Priorität bereits ab dem Kleinkindalter und während der gesamten Schulzeit dar, auch wenn dem Englischunterricht im gesamten Bundesland ein recht großer Stellenwert eingeräumt wird.

In der frühen Kindheit

Die Sprachförderung im vorschulischen Bereich in Baden-Württemberg

Das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG), das am 01.01.2005 in Kraft trat, ermöglichte die Schaffung zahlreicher neuer Betreuungsstrukturen und fördert zudem die Chancengleichheit durch frühkindliche Bildung. Mit diesem Gesetz wurde das Recht auf einen Kindergartenplatz und auf Ganztagesbetreuung (statt nur am Vormittag) eingeführt.

Deutsch lernen ab dem frühen Kindesalter

Es wurden Instrumente eingeführt, um die Betreuung von ausländischen Mitbürgern zu verbessern, die Unterstützungsbedarf beim Lernen der deutschen Sprache haben. Diese Fördermaßnahmen richten sich an Kinder mit schlechten oder gar nicht vorhandenen Deutschkenntnissen.

Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf (SPATZ)

Kinder ab dem dritten Lebensjahr, die z. B. aufgrund dessen, dass sie nicht deutschsprachig sind, einen zusätzlichen Förderbedarf im sprachlichen Bereich haben, können in allen Tagesbetreuungseinrichtungen eine besondere Sprachförderung erhalten. Für besondere Sprachfördermaßnahmen erhalten die Einrichtungen einen Zuschuss (2.200 € pro Einrichtung auf Antrag bei der vom Kultusministerium beauftragten Landesbank Baden-Württemberg).

Intensive Sprachförderung im Kindergarten (ISF)

Diese Maßnahme richtet sich an Kinder ab 2 Jahren und 7 Monaten bis zum Schuleintritt und bietet eine individuelle Förderung ab dem frühen Kindesalter, die 120 Stunden pro Jahr umfasst und von qualifizierten Fachkräften übernommen wird.

Die einzelnen Betreuungseinrichtungen im vorschulischen Bereich

Das deutsche System zeichnet sich durch eine große Bandbreite an Kinderbetreuungseinrichtungen aus:
  1. Kinderkrippen betreuen Kinder zwischen 2 Monaten und 3 Jahren.
  2. Kindergärten, die in etwa den französischen „Écoles maternelles“ entsprechen, nehmen Kinder zwischen 3 und 6 Jahren auf. Sie sind jedoch kostenpflichtig und nicht Teil des deutschen Schulsystems. Teilweise handelt es sich um Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft (evangelisch oder katholisch).
  3. In Kindertagesstätten (Kitas) werden Kinder unterschiedlichen Alters betreut – häufig ab 1 oder 2 Jahren (teilweise bereits ab 2 Monaten) und bis zum Alter von 6 Jahren.

Bilinguale Betreuungseinrichtungen im vorschulischen Bereich im Grenzgebiet Baden-Württembergs

Das frühe Lernen einer zweiten Sprache wird gefördert, da es bei sehr jungen Kindern die kognitive Entwicklung anregt und das Sprachverständnis ganz allgemein verbessert. Unterrichtsangebote für eine zweite Sprache (hier vor allem Französisch) sind teilweise kostenpflichtig (rund 10 € pro Monat).
Die bilingualen Einrichtungen verfolgen allesamt mehrere pädagogische Konzepte:

  • Immersionsprinzip: Jeder Erzieher/jede Erzieherin, ob deutsch oder französisch, spricht nur eine Sprache (eine Person, eine Sprache). Das Kind assoziiert ein Wort mit einer Person und einer Situation. 
  • Interkultureller Austausch: Das Lernen der Fremdsprache ist nicht nur auf sprachliche Aspekte ausgerichtet, sondern durch Kontakte zu französischen Kindern und Partnerschaften zwischen den Einrichtungen auch auf die Kultur des anderen Landes.
  • Offene Arbeit als pädagogisches Konzept (in einigen Einrichtungen): Das Kind entscheidet ohne vorgegebene Abläufe selbst, was es tun will.
Das Label „Elysée 2020“

Einige deutsch-französische Kinderbetreuungseinrichtungen auf beiden Seiten der Grenze (Kitas in Deutschland und Écoles maternelles in Frankreich) wurden mit dem Qualitätslabel „Elysée 2020“ ausgezeichnet.
Für diese Einrichtungen gilt eine deutsch-französische Qualitätscharta. Ziel ist es, neben der Sprache des jeweiligen Schulsystems (Deutsch in Deutschland und Französisch in Frankreich) die regelmäßige Verwendung der Sprache des Partnerlandes als Kommunikationssprache zwischen Erwachsenen und Kindern durch Immersion zu erreichen.

Link zur Liste der Elysée-2020-Kitas in Baden-Württemberg: https://www.institutfrancais.de/sites/default/files/Federal/liste_elysee_kitas_in_deutschland_2014-2016_-_copie.pdf

Bilinguale Betreuungseinrichtungen für Kinder

Die Betreuungseinrichtungen entlang der Rheinschiene an der elsässischen Grenze sind zumeist deutsch-französisch, es gibt jedoch auch deutsch-englische Einrichtungen. Die Betreuungseinrichtungen pflegen Kontakte zu den Écoles maternelles im Elsass (Austausch von Personal, Treffen) und sorgen für einen reibungslosen Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule. Das Personal ist zweisprachig.

Liste der Einrichtungen (nicht vollständig)
  • Baden-Württemberg Nord
    • Kindergarten „Le petit Prince“ (Baden-Baden)
      Deutsch-französischer Kindergarten (Label Elysée 2020). Kontakte zur École maternelle „La Capucine“ in Seltz im Elsass, die ebenfalls ein bilinguales Konzept verfolgt. Weiterführung des Konzepts in einer bilingualen Klasse an der Grundschule Baden-Oos.
      http://awo-baden-baden.de/kinder-jugendliche/deutsch-franzoesischer-kindergarten/
    • Kath. Kindergarten St. Michael (Rastatt-Wintersdorf)
      Mehrere Gruppen: 1 Gruppe für Kinder zwischen 1 und 3 Jahren, 3 Gruppen für Kinder ab 2 Jahren bis zum Schuleintritt, 1 Ganztagesgruppe für Kinder ab 2 Jahren bis zum Schuleintritt. Deutsch und Französisch werden nach dem Immersionsprinzip gelernt.
    • Kindertagestätte Kleine Riesen (Esslingen)
      Bilinguale deutsch-englische Kindertagesstätte in privater Trägerschaft (Unternehmen, das Einrichtungen in 14 deutschen Städten betreibt).
      Alle Aktivitäten werden auch auf Englisch angeboten.
      https://www.littlegiants.de/en/
  • Baden-Württemberg Mitte (Kehl und Offenburg):
    • Kindergarten St. Joseph (Kehl)
      Bilinguale deutsch-französische Kindertagesstätte für Kinder zwischen 1 und 6 Jahren. Die Einrichtung gehört zu den „Elysée 2020-Kitas“. Mit Ganztagesgruppe.
      Enge Zusammenarbeit mit der Falkenhausenschule. Interkultureller Austausch: Kontakte zu französischen Kindern, Ausflüge in die Oper oder die Bibliothek in Straßburg. Kochen mit einem französischen Koch.
    • Kindertageseinrichtung Vogesenallee (Kehl)
      Außenstelle: Deutsch-französische Kinderkrippe/crèche franco-allemande in Straßburg. Die Kinderkrippe in Straßburg hat eine deutsche, die Kindertageseinrichtung in Kehl eine französische Leiterin. Offene Arbeit als pädagogisches Konzept. Austausch zwischen dem französischen Personal in Straßburg und dem deutschen Personal in Kehl. Veranstaltung von Festen und Treffen. Betreuung von Kindern zwischen 1 und 6 Jahren. Mit Ganztagesgruppe.Eine Liste der Kitas und Kindergärten finden Sie auf der Website der Stadt Kehl:
      https://www.kehl.de/media-stadt/docs/kindertageseinrichtungen_kehl.pdf
    • Stadtteil- und Familienzentrum Oststadt (Offenburg)
      http://www.kita.de/kitas/baden-wuerttemberg/kehl
      Tel. 0781 93292 11
  • Baden-Württemberg Süd 
    Der südliche Teil Baden-Württembergs ist geprägt von der Nähe zur Schweizer Grenze. Hier gibt es zahlreiche deutsch-englische Einrichtungen.